„Heute für morgen planen“

CO2-neutraler Betrieb des Elbtowers

Der Elbtower ist eine technische Meisterleistung. Nicht nur beim Bau, sondern auch im Betrieb. Warum das Hightech-Gebäude CO2 neutral betrieben wird, erklärt Joachim Kuhn, Geschäftsführer von TechDesign, im Interview.

Sie planen die technische Gebäudeausrüstung von Hochhäusern in ganz Deutschland. Nun sind Sie beim Elbtower für das Energiekonzept und die Klimatisierung zuständig. Was ist der Unterschied zu Ihren anderen Projekten? 

Wir sind Hochhausplaner seit Generationen, aber der Elbtower ist ein echter Leuchtturm. So ein Projekt gibt es nicht jedes Jahr, sondern höchstens einmal in der Dekade. Das liegt zum einen an der Größe. Zum anderen sind die Ansprüche, die an den Turm gestellt werden, sehr hoch. Der Bauherr will Innovationen. Heute für morgen planen, das passt da wirklich. Am Elbtower können wir uns in Sachen Innovation wirklich austoben.

Warum ist das Energiekonzept so innovativ und nachhaltig?

Wir sind besonders energieeffizient, es wird nur so viel Energie verteilt, wie erforderlich ist. Hinzu kommt: Wir heizen mit kaltem Wasser und kühlen mit warmem Wasser. Das hört sich widersprüchlich an, sorgt aber dafür, dass wir möglichst viel Fremdenergie in die Energieversorgung integrieren können. Wir nutzen CO2-neutrale Fern- und Abwasserwärme aus der Hamburger Kanalisation. Beide Energiequellen sind theoretisch allein in der Lage, den Elbtower zu versorgen. Dazu kommt außerdem reiner Ökostrom. So wird der Betrieb des Elbtowers CO2-neutral.

Was ist eigentlich aufwendiger zu planen bei Hochbauten dieser Art? Das Heizen oder das Kühlen?

Solche Gebäude sind prädestiniert für Nutzer mit höherem IT-Bedarf, zum Beispiel für Banken. Da ist das Kühlen schon die Herausforderung. Aber es ist immer einfacher, ein Gebäude zu planen, wenn man die künftigen Nutzer kennt. Beim Elbtower ist das anders, denn viele Nutzer stehen noch nicht fest. Daher müssen wir viel Flexibilität einplanen, ohne Ressourcen zu verschwenden. Natürlich kann ich die doppelte Anlagentechnik einbauen, aber das wäre einfach unwirtschaftlich.

»Wir sind Hochhausplaner seit Generationen, aber der Elbtower ist ein echter Leuchtturm. So ein Projekt gibt es nicht jedes Jahr, sondern höchstens einmal in der Dekade. «

Joachim KuhnGeschäftsführer von TechDesign

Wie gehen Sie denn vor?

Beim Elbtower sind die raumlufttechnischen Anlagen die großen Energieverbraucher. Wir planen deshalb  die Versorgungsleitungen, die sich wie Arterien durch das Haus ziehen, mit ausreichend großen Querschnitten. Dies gilt für alle Medien der Heizungs- Kälte und Raumlufttechnik. Dafür nehmen die Schächte möglicherweise größere Flächen in Anspruch, aber die Anlagentechnik inklusive der Versorgung der Nutzungseinheiten ist dann entsprechend leistungsfähig.

Wie wirkt sich das auf den Nutzer aus?

Da sind die Anforderungen doch ganz unterschiedlich, je nachdem, ob Menschen im Einzelbüro oder im großen Co-Working Space arbeiten. Wir planen die Technik so, dass wir Temperaturen und Luftmengen nach Bedarf einstellen können, ob in kleinen Räumen oder in Open Spaces. Multi-Sensoren zeigen detailliert, wie viele Menschen in einem Raum sind und wie die Luftqualität ist, danach werden die Luftmenge und die Raumtemperatur über Heiz-Kühlelemente automatisch geregelt. Die Deckenkühlsysteme, die wir einbauen, bieten den Vorteil, schnell heizen oder kühlen zu können. Außerdem setzen wir neue technische Komponenten ein, die es vorher nicht gab. Die Luftauslässe zum Beispiel, die für Temperatur und Lüftung in den Räumen bis in den kleinsten Winkel sorgen. Wir haben diese gemeinsam mit Komponentenherstellern ganz neu konzipiert. Nun sind sie sehr leistungsfähig und extrem leise. Und weil die Luft bodennah in den Raum gelangt, macht sich das veränderte Raumklima bei sitzenden Büromenschen schnell bemerkbar. Für uns ist sehr wichtig: Die Technik im Gebäude darf nicht zu kompliziert sein, der Betreiber muss sie beherrschen können.

Das sind also innovative Anlagen, die es auf dem Markt teilweise noch nicht gibt …

Richtig. In Teilen wissen wir erst sehr spät, was wir einbauen, insbesondere im Bereich Raumautomation und Smart Building Technologien. Das ist aber deswegen machbar, weil das Projekt sehr vernünftig geplant wird und die Zeitschiene langfristig gedacht wurde. Daneben hilft auch die Digitalisierung und Planungsmethodik. Wir arbeiten seit 30 Jahren sehr digital bis hin zum modellbasierten Planen (BIM). Beim Elbtower ziehen dabei auch Bauherr und Architekt mit. So hat zum Beispiel David Chipperfield Architects (DCA) in der Entwurfsphase seine ganze Planung umgestellt und ein geniales Team mit genau den richtigen Leuten aufgebaut, um die Voraussetzungen über das Architekturmodell dafür zu schaffen. Das war eine Topleistung und die Zusammenarbeit hat richtig Spaß gemacht.

Wenn Sie heute Technik planen, die es auf dem Markt noch nicht gibt – wie stellen Sie denn sicher, dass sie zur Eröffnung des Elbtowers verfügbar ist?

Ich habe eher Sorge, dass alte Technik aufgrund extrem langer Lieferzeiten nicht mehr verfügbar ist. Bei innovativer Technik ist das anders. Die wird schneller auf den Markt kommen und bereitstehen. Da wir die Beschaffung dieses Jahr abschließen, sollte dies bis 2025 möglich sein.

Wie lange wird Sie der Elbtower auch nach der Fertigstellung noch beschäftigen?

Im Augenblick befassen sich bei uns im TGA-Team rund 30 Köpfe mit der Planung für den Elbtower. Der Elbtower wird 2025 in Teilen übergeben, die Planung für die Mieter wird bis 2026 erfolgen, die Betriebsoptimierung bis 2027. Wenn das Gebäude fertig ist, haben wir also eine zweijährige Nachlaufzeit. Aber ich gehe davon aus, dass uns der Elbtower auch weiterhin beschäftigen wird. Einfach, weil er so herausragend ist.