Eine kühne Welle über den Fluss
Brückenarchitektur und Elbtower

Erstaunlich: Obwohl es Hamburg schon seit mehr als tausend Jahren gibt, sind die ersten Brücken über die Elbe erst vor zweihundert Jahren gebaut worden. Zu groß war den Hamburgern die Konkurrenz mit dem gegenüberliegenden Harburg. Wer da über den Fluss wollte, sollte die Fähre nehmen. Oder auf den Winter warten, bis der Fluss zufror. Heute sind es mehr als 2.500 Brücken, die wie selbstverständlich aus vielen Inseln, Städten und Kommunen eine Stadt schaffen.
Die Brücken haben aber nicht nur große Bedeutung für den Verkehr und die Mobilität, sondern auch den architektonischen Einfluss. Vor allem die Neue Elbbrücke, eine der drei Brücken an der Spitze der HafenCity wirkt besonders markant. Ihre Wellenform wird zu einem eleganten Schwung, der auch an anderer Stelle in der HafenCity zu finden ist: Die Elbphilharmonie beispielsweise wirkt mit ihrer Dachsilhouette wie ein Negativabzug des Brückenbogens. Auch im Elbtower, der zweiten neuen Ikone Hamburgs findet sich der kühne Schwung wieder. Nicht nur in der Bewegung nach oben, sondern auch in der leicht versetzten Drehung des Gebäudekörpers. Und quer durch das ganze neue Stadtviertel zieht sich der Grundsatz der nüchternen Materialität, der auch die Brücke auszeichnet.
Ein idealer Ausgleich zwischen Zug und Druck
Dabei waren es nicht ästhetische Gründe, die diese ungewöhnliche Optik der Neuen Elbbrücke geschaffen haben. Die Konstruktion besteht aus aneinandergereihten linsenförmigen Segmenten, die statischen Zug und Druck ideal ausgleichen. Lohse-Träger wird das Konstrukt genannt – nach dem Ingenieur und Oberbaurat Hermann Lohse, der auch dem Lohsepark in der HafenCity seinen Namen gegeben hat. Zu Bauzeiten der Neuen Brücke vor knapp hundert Jahren fanden die Hamburger den Lohse-Träger schöner als die damals üblichen Gittertragwerke, außerdem benötigte er weniger Material. Aus statischen Gründen und aufgrund des neuen Zeitgeschmacks wurden spätere Brücken aber nicht mehr mit geschwungenen Lohse-Träger gebaut.
Brücken und Straßen für Hamburgs Wirtschaft
Die Elbbrücken spiegeln die wirtschaftliche Realität der Stadt wider. Denn als im 19. Jahrhundert Globalisierung und Industrialisierung den Handel bestimmten, mussten Stadt und Hafen wachsen. Neue Straßen und Brücken mussten gebaut werden, um vor allem den Freihafen bei Steinwerder oder Kleinen Grasbrook im Süden Hamburgs anzubinden. Bald nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es erneut eng auf Hamburgs Straßen. Bis 1960 wurde daher die bestehende neue Elbbrücke von 1929 neu gebaut. Ihre Reste wurden um neue Fahrtrichtungen erweitert, auf denen heute Autos fahren.
Weil gleichzeitig die Schiffe auf der Norderelbe immer größer wurden, haben die Ingenieure die Fahrbahnen um 2,50 Meter angehoben. Allerdings ist die Elbe für die großen Seeschiffe auch heute noch erst flussabwärts hinter den Elbbrücken befahrbar. In den kommenden Jahren steht erneut ein wirtschaftlicher Umbruch an, der Hamburgs Wirtschaft und das Mobilitätsverhalten der Menschen verändern wird. Und schon wieder sind neue Brücken geplant, die langfristig zu Füssen des Elbtowers entstehen. Rund um die neue Mitte der Stadt.