Der Job wird zum Lieblingsort
Interview mit Professor Axel Minten

Professor Dr. Axel Minten ist New Work Specialist, Partner bei der cowork AG und lehrt und forscht an der FOM Hochschule für Oekonomie und Management. Er erforscht die Art und Weise, wie wir arbeiten und unser Arbeitsumfeld angenehmer gestalten wollen. Coworking-Spaces gehören für ihn dazu.
Derzeit drängt die Generation Z auf den Arbeitsmarkt. Es heißt ja, die wollen gar nicht mehr richtig arbeiten, sondern denken nur an ihre Freizeit. Stimmt das?
Ich habe dieses Generationsmodell immer kritisch gesehen, weil solche Unterschiede der Generationen ja nie empirisch belegt worden sind. Was ich aber sehe ist, dass jüngere Menschen heute andere Gegebenheiten vorfinden. Die haben eine gute Ausbildung und erfahren eine hohe Wertigkeit auf dem Arbeitsmarkt: Viele Menschen mit entsprechender Bildung können sich den Arbeitgeber aussuchen und anschließend eine Umgebung schaffen, die das Arbeiten angenehm macht. Sie geben sich nicht mehr damit zufrieden, dass Arbeit erschöpft und auslaugt, sondern können es sich leisten, andere Werte wie Gesundheit und Work-Life-Balance zu erfüllen.

Und dazu gehören Coworking-Spaces …
Die Idee ist ja nicht so neu, Business Center gibt es seit Jahrzehnten. Neu aber ist die Idee, dass man im Coworking-Space mehr findet als eine Immobilie. Da geht es um die Community und die Identifikation mit dem Ort. Es gibt ja eine unglaubliche Vielfalt an solchen Coworking-Spaces: Da gibt es kleine Spaces mit Katzenräumen, andere Spaces mit einem eigenen Maker-Raum für 3D-Drucker, wieder andere mit Kita oder Raum, um kranke Angehörige zu pflegen – die Räume sind so individuell wie wir selber. Hinzu kommt: Ein wohnortnaher Coworking-Space reduziert die Pendelei unglaublich und ist viel nachhaltiger.
Aber heißt es nicht immer, mit dem demographischen Wandel müssten die nachfolgenden Generationen mehr arbeiten, um den Wohlstand in Deutschland zumindest zu halten?
Arbeitspsychologen wissen: Wer motiviert ist, arbeitet auch mehr. Menschen halten sich lieber in guten Räumen auf – und wo sie sich gern aufhalten, sind sie bereit, ihr volles Leistungsspektrum zu geben. Außerdem wird die Produktion immer effizienter, Künstliche Intelligenz und Digitalisierung unterstützen uns. Warum soll sich der Mensch in dieser Welt nicht eine Umgebung schaffen, die das Arbeiten angenehm macht? Und schließlich darf New Work nicht verkürzt werden auf „möglichst wenig Arbeiten“. Sondern es geht darum, Arbeit so zu organisieren, dass sie angenehm ist.
»Schließlich darf New Work nicht verkürzt werden auf „möglichst wenig Arbeiten“. Sondern es geht darum, Arbeit so zu organisieren, dass sie angenehm ist. «
Wie ist denn die Bereitschaft von Arbeitgebern und Unternehmen, an die Gestaltung und Organisation von Arbeitsplätzen heranzugehen?
Die Bereitschaft gibt es nicht überall und entsteht häufig erst unter Druck. Wer seine Lehrstellen und andere freie Stellen nicht besetzen kann, der muss etwas tun. Da entsteht aus der Not heraus die Bereitschaft zum Invest, zum Beispiel in einen Coworking-Space. Wenn die Arbeitgeber dann sehen, was durch solche Arbeitsformen herauskommt – Flexibilität der Jobs, mehr Effizienz und mehr Attraktivität als Unternehmen, dann sind sie sehr angetan.
Wie sollte ein guter Coworking-Space aussehen?
Ganz konkret gibt es da die fünf große C. Erstens Communication – es braucht Platz für Meetings, für das Zusammenkommen, den kreativen Austausch. Dann Concentration – das heißt: Ich werde nicht unterbrochen, kann mich auf die Arbeit fokussieren. In vielen Coworking-Spaces gibt es dafür eigene Rückzugszonen. Dann die Co-Creation: Dafür braucht es Räume, wo ich Tische verschieben kann und große Whiteboards zum Scribbeln einladen. Das vierte C steht für Chill-out, also für den riesigen Bereich Ruhe, Pause, Kaffee, Essen. Und schließlich das fünfte C: Die Community. Sie schafft eine Identifikation mit dem Ort. Man geht zum Coworking-Space, weil es ein Lieblingsort mit einer tollen Gemeinschaft geworden ist – das geht weit über die Immobilie hinaus. Manche setzen noch ein sechstes C dazu – für Coffee. Eine gute Kaffeemaschine ist wirklich wichtig.
Und dann funktioniert der Austausch?
Das funktioniert sehr gut, allerdings muss man das befeuern. So genannte Space- oder Community-Manager:innen sorgen mit Events wie Member Breakfast, Check-ins und anderen Veranstaltungen dafür, dass die Leute den Space mit Leben erfüllen. Die Community muss also moderiert werden. Denn sonst sitzen alle wie im Business Center still vor ihrem Laptop. Das hat im Übrigen auch Einfluss auf die Architektur eines Gebäudes. Ich muss nicht auf jeder Etage eine eigene Küche einrichten – sondern kann gestalterisch einen gewissen Zwang hin zur Community planen.

Wofür braucht man dann noch eigene Büroräume als Unternehmen?
Es ist sicher ein Irrtum anzunehmen, dass ein Unternehmen für jeden Mitarbeiter einen Raum vorhalten muss. Jedes zweite Unternehmen in Deutschland überlegt derzeit, Büroraum zu reduzieren. Bestehende Räume dienen dann zur Repräsentation oder werden zu hybriden Räumen, als zusätzlicher Rückzugsort oder als Ort für Meetings.
Wenn Sie in einem Coworking-Space arbeiten – was stört Sie am meisten?
Am meisten stört mich, wenn ich merke, dass es keine wirkliche Trennung zwischen fokussiertem Arbeiten und Kommunikation gibt. Wenn es keine Ecke gibt, die mich anspricht oder wenn ich mitten im Raum sitzen muss und keine Wand im Rücken habe.